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Als die Gebrüder Grimm in den Jahren von 1812 bis 1858 ihre Kinder- und Hausmärchen herausgaben, haben sie vermutlich nicht damit gerechnet, welchen Einfluss diese auf das allgemeine Kulturgut haben werden. Ihre Werke werden in den Schulen behandelt und gelten gemeinhin als Paradebeispiel für Das Märchen; ihre Geschichten werden von Disney adaptiert und erreichen ein weltweites Publikum; ihre Märchen werden von den Eltern als Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Und obwohl die Kinder- und Hausmärchen heute eher in der Kinder- und Jugendliteratur verordnet sind, ist es nicht verwunderlich, wenn sie als Stoff für einen Horrorfilm genutzt werden. Die Geschichten der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm sind voll von Gewalt, Tod, Folter, Inzest und Kannibalismus.

Genau das hat sich wohl auch Osgood „Oz“ Perkins gedacht. GRETEL & HÄNSEL ist die dritte Regiearbeit von „Oz“, dem Sohn des großartigen Anthony Perkins (auch bekannt in seiner Rolle als Norman Bates in PSYCHO). Und erneut bedient sich Osgood Perkins, wie bereits bei seinen vorherigen Filmen (DIE TOCHTER DES TEUFELS und I AM THE PRETTY THING THAT LIVES IN THE HOUSE) dem Horrorgenre.

GRETEL & HÄNSEL startet am 09.07.2020 in den deutschen Kinos. Ob die Märchenadaption der Gebrüder Grimm auch heute noch einen Schrecken auslösen kann, erfahrt ihr in der Kritik.

Handlung:

Vor langer Zeit in einem verfluchten Land: Die verzweifelte Suche nach Nahrung und Arbeit zwingt die junge Gretel (Sophia Lillis) und ihren kleinen Bruder Hänsel (Samuel J. Leakey), das elterliche Haus zu verlassen. Völlig orientierungslos irren sie umher und verlaufen sich in einem tiefen, dunklen Wald. Als sie auf eine Hütte stoßen, in der eine alte, freundlich wirkende Frau (Alice Krige) lebt, glauben Gretel und Hänsel, Zuflucht gefunden zu haben. Aber die von der Alten in Zeiten der Hungersnot aufgetischten Festmähler, das unheimliche Gemurmel fremder Kinderstimmen und mysteriöse Erscheinungen im Haus lassen Gretel erahnen, dass sich hinter ihrem scheinbaren Glück etwas Böses verbirgt. Kann sie ihren jüngeren Bruder beschützen oder wird sie den Versuchungen erliegen, die sich ihr offenbaren? Langsam bahnt sich das Grauen seinen Weg … (Quelle: capelight pictures)

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Märchenstund hat Gold im Mund

Die Geschichte von Hänsel und Gretel sollte bekannt sein. Und so nimmt sich Regisseur Perkins in GRETEL & HÄNSEL einige Freiheiten und adaptiert das Märchen eben nicht 1:1. Wie schon der Titel vorgibt, wird Gretel in den Fokus gerückt. Wir sehen eine junge Dame auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Gretel möchte sich selbstverwirklichen – der jüngere Bruder Hänsel ist dabei eher Ballast. Und dennoch wird sich „grunzend“ auf die Familie besonnen.

GRETEL & HÄNSEL ist klassisch gesehen ein Horrorfilm – aber auch ein Coming-of-Age-Film. Für Gretel sind Emanzipation, Freiheit und eben die Selbstbestimmung enorm wichtig und finden einen entsprechenden Platz in dieser Adaption. Diese Themen gehen allerdings zu Lasten des eigentlichen Horrors. Während der Horror und das Mysterium um die Hexe großartig aufgebaut wird, verflacht die Spannung im weiteren Verlauf des Films. Auch Alice Krige als Hexe kann den Horror, die Spannung nur bedingt aufrechterhalten oder wiederbeleben, denn auch sie erzählt in der bekannten Geschichte um Hänsel und Gretel nichts Neues.

Ein atmosphärischer Trip durch den Wald

Der audiovisuelle Stil von GRETEL & HÄNSEL erinnert stark an die letzten großen Vertreter des Genres – HEREDITARY oder THE VVITCH. Die Arbeit von Perkins ist dabei aber keine Kopie. Vielmehr passt der Stil hervorragend zur Grundprämisse. „Oz“ hat so ein Märchenhaftes Bild gezeichnet, welches auch fantastische Elemente mit der Realität verschwimmen lässt. Leider schafft Perkins es aber nicht mit dieser schaurig-schönen Atmosphäre einen Schrecken aufkommen zu lassen. Die wenigen Jump-Scares lassen dennoch ein Gespür für das Horrorgenre erahnen.

Sophia Lillis in ihrer Rolle als Gretel und auch Alice Krige als Hexe haben eine sehr gute Performance abgeliefert. Wenngleich ich mir gerade von Lillis eine ausdrucksstärkere Gretel gewünscht hätte. Mit ihren Rollen in ES oder I AM NOT OKAY WITH THIS konnte sich Lillis schon einen gewissen Status als Jungstar erarbeiten. In GRETEL & HÄNSEL blieb sie allerdings blass.

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GRETEL & HÄNSEL ist atmosphärisch und stark durch inszeniert. Die Coming-of-Age-Story ist zeitgemäß und fügt sich toll in das Märchen ein. Perkins hat sich die nötige Freiheit genommen, um eine modernere Version des Märchens zu erzählen – er erzählt allerdings keinen modernen Horrorfilm. Der Schrecken des Märchens kommt leider nur bedingt auf.

Bloodfest vergibt 3 von 5 Punkten

Veröffentlichung: GRETEL & HÄNSEL ist ab dem 09.07.2020 in den Kinos.
Verleih: Capelight Pictures

Trailer:

Marco Schilke
marco.schilke@bloodfest.de

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