Regisseur und Autor Christian Alvart sollte dem Genre-Fan durchaus bekannt sein. Mit Filmen wie ANTIKÖRPER, ABGESCHNITTEN und zuletzt FREIES LAND bringt Alvart den deutschen Genrefilm regelmäßig wieder ins Kino. Und auch bei den alteingesessenen Tatort-Fans dürfte Alvart bleibenden Eindruck hinterlassen haben – wurden seine TSCHILLER – Tatorte mit Til Schweiger in der Hauptrolle doch sehr zwiegespalten aufgenommen.

Mit Adolfo J. Kolmerer holte sich Christian Alvart für sein neues Projekt hochkarätige Unterstützung an seine Seite. Kolmerer selbst konnte im Jahr 2017 mit SCHNEEFLÖCKCHEN eine kleine Perle des Genres veröffentlichen.

Nach DOGS OF BERLIN wagt sich Christian Alvart nun erneut an eine hochambitionierte Serie. Statt für Netflix wurde die Serie SLØBORN nun allerdings für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender produziert – das ZDF. Und es hätte keinen brisanteren Zeitpunkt der Veröffentlichung geben können.

ZDF Neo wird am 23.07.2020 ab 20:15 Uhr und am 24.07.2020 ab 20:15 Uhr jeweils 4 Folgen der Serie SLOBORN ausstrahlen. Zeitglich wird die Serie in der ZDFmediathek zur Verfügung stehen. Weiter erscheint die Serie ab dem 24.07.2020 auf DVD und Blu-Ray.

Handlung:

Die 15-jährige Evelin Kern (Emily Kusche) kehrt von einer Klassenfahrt zurück auf die Nordseeinsel Sløborn, wo sie mit ihren Eltern (Wotan Wilke Möhring, Annika Kuhl) und ihren drei Brüdern lebt. Es geht ihr nicht gut, sie wird von Übelkeit geplagt. Evelin ahnt noch nicht, dass sie von ihrem Lehrer Milan Gruber (Marc Benjamin), zu dem sie eine heimliche Beziehung hat, schwanger ist. Trotz des Unwohlseins setzt sich das Mädchen im Bus tapfer für seinen Mitschüler Herm (Adrian Grünewald) ein, der von seinen Klassenkameraden gemobbt wird. Vor allem Fiete (Tim Bülow) hat es auf den stillen Sohn des Inselpolizisten (Urs Rechn) abgesehen. Der exzentrische Starautor Nikolai Wagner (Alexander Scheer) kommt am gleichen Tag auf die Insel: Pleite, mit Drogenproblemen und einer Schreibblockade kämpfend, ist er im Hause von Buchhändlerin und Pfarrersgattin Merit Ponz (Laura Tonke) einquartiert. Derweil landet auch Magnus Fisker (Roland Møller) auf Sløborn, um ein Rehabilitierungsprojekt mit straffällig gewordenen Jugendlichen (Lea van Acken, Aaron Hilmer und andere) zu leiten. Während einer Strandparty finden Fiete und seine Freunde Louis (Paul Stiehler) und Ole (Andreas Warmbrunn) ein gekentertes Segelboot, auf dem sie eine grauenhafte Entdeckung machen: Sie finden ein totes, bereits mumifiziertes Paar. Die drei Jungs ahnen nicht, dass die Fremden an der Taubengrippe gestorben sind und sie nun das tödliche Virus auf die Insel bringen. Dort fordert es nicht nur innerhalb kürzester Zeit Menschenleben, sondern erschüttert die Inselgemeinde auch bis in ihre Grundfeste. (Quelle: ZDF)

© ZDF
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Für Merlin

Christian Alvart schrieb das Buch für seine Serie SLØBORN auf Grundlage der Pandemiepläne der Bundesrepublik. Zum damaligen Zeitpunkt gab es die weltweite Corona-Pandemie noch nicht und es war auch nicht auszudenken, welche Ausmaße eben diese auf die Bundesrepublik Deutschland und die Welt haben könnte. Umso erstaunlicher ist es, wie gut Alvart dieses Szenario in seiner Serie SLØBORN prophezeit.

Alvart lässt sich allerdings ungewohnt viel Zeit mit dem Virus – der Virus spielt anfangs nur eine untergeordnete Rolle. Es sind die Menschen, Charaktere und ihre Geschichte auf der Nordseeinsel, die ruhig und langsam eingeführt werden. Einige von ihnen sind zwar klischeehaft beschrieben und durchleben eine nicht immer nachvollziehbare Charakterentwicklung und dennoch hat Alvart hier durchaus faszinierende Figuren konzipiert.
Alexander Scheer in der Rolle des drogenkranken Autors Nikolai Wagner oder aber Roland Møller als Aufseher von straffälligen Jugendlichen, der einst selber ein Krimineller war. Es sind eben diese kleinen Geschichten, die Alvart famos erzählt – und gerade Alexander Scheer (u. a. GUNDERMANN) zeigt eine großartige und unvergessliche One-Man-Show.

Alvart und Kolmerer zeigen hier ihr ganzes Können – die Inszenierung, Kameraführung und Detailverliebtheit ist gewohnt stark. Die Bilder des Regie-Duos sind hochwertig und stilsicher. Der Score wirkungsvoll und dezent eingesetzt.

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Eine ungewollt aktuelle Thematik

In der zweiten Hälfte gewinnt die Serie SLØBORN mehr an Dynamik und Tragik und entwickelt damit einen sehr bitteren Beigeschmack. Die Rezipienten sehen infizierte Menschen, Tote, einen Shutdown, ein überfordertes Gesundheitssystem und Verschwörungstheoretiker – aktueller hätte eine Serie nicht sein können. Die vorherigen Coming-of-Age-Storys und Geschichten über die Inselbewohner werden gleichgültig in Anbetracht des Virus, welcher hier als Taubengrippe bezeichnet wird. Infiziert, erleiden die Menschen einen scheinbar schmerzhaften Tod. Eine Impfung gibt es nicht.

Mit dem Hintergrund der weltweiten Corona-Pandemie sollte SLØBORN durchaus ambivalent betrachtet werden. Die Frage nach Haben wir so eine Serie gebraucht? darf meiner Ansicht nach mit Ja beantwortet werden. SLØBORN zeigt, ungeschönt welchen Verlauf die Infektionsketten nehmen; mit welchen Widerständen wir zu kämpfen haben und wie erschreckend ein vollständiger Ausbruch einer Pandemie sein kann.

Eine weitere Frage muss man sich allerdings noch stellen – Ist dies der richtige Zeitpunkt für die Serie?

Bloodfest vergibt 3,5 von 5 Punkten

Trailer:

Marco Schilke
marco.schilke@bloodfest.de

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